Verkauf von legal highs – Inverkehrbringen bedenklicher Arzneimittel  bei Anwendbarkeit des AMG nach OLG Nürnberg (zwischenzeitlich durch die Rechtsprechung des EuGH überholt) und Aufnahme div. Wirkstoffe in Anlage II BtMG – Strafverteidiger-Ratgeber von Rechtsanwalt Kämpf, München

Im Internet sind legal highs als so genannte Badesalze, Räuchermischungen oder Kräutermischungen vermeintlich legal zu erwerben. Dies ist angesichts der noch nicht gefestigten Rechtsprechung zur Anwendbarkeit des Arzneimittelgesetzes und der Vielzahl der angebotenen Stoffe für Verkäufer sowie Erwerber strafrechtlich problematisch.
Rechtsanwalt Kämpf aus München bespricht zum einen eine Entscheidung des OLG Nürnberg zur strafrechtlichen Relevanz des Inverkehrbringens so genannter Kräutermischungen nach dem AMG und zum anderen die Aufnahme verschiedener Stoffe in das Betäubungsmittelgesetz.

Update: aufgrund des zwischenzeitlich ergangenen Urteils des EuGH vom 10. Juli 2014 (Aktenzeichen: C‑358/13 und C‑181/14) hat sich die Frage, ob synthetische Cannabinoide Arzneimittel im Sinne des AMG sind und mithin der Verkauf solcher Substanzen ein strafbares Inverkehrbringen bedenklicher Arzneimittel nach dem Arzneimittelgesetz darstellt, erledigt. Der europäische Gerichtshof stellte klar, dass es sich eben nicht um Arzneimittel handelt. Durch den Konsum dieser Stoffe wird wieder ein therapeutischer noch medizinischer Zweck verfolgt.

1. Stellt der Verkauf von (nicht in Anlage II BtMG gelisteten) Kräutermischungen ein strafbares Inverkehrbringen nach dem AMG dar – hierzu OLG Nürnberg vom 10. Dezember 2012 (Aktenzeichen: 1 St OLG Ss 246/12)?

Nach dem OLG Nürnberg soll der Verkauf von Kräutermischungen, also synthetische Cannabinoide – hier JWH-210 und JWH-081 – in zerkleinerten und getrockneten Pflanzenteilen ein Inverkehrbringen bedenklicher Arzneimittel im Sinne des § 5 Abs. 1 AMG (Arzneimittelgesetz) sein, wenn diese von einer Vielzahl von Konsumenten zur Erzielung einer halluzinogenen Wirkung erworben werden. Damit liegt nun ein erstes obergerichtliches Urteil zur Einordnung des Verkaufs so genannter legal highs – hier: synthetischer Cannabinoide –  unter das AMG vor.

Erstinstanzlich verurteilte das Schöffengericht den Angeklagten wegen des Inverkehrbringens bedenklicher Arzneimittel zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten. Daneben ordnete es den Wertersatzverfall in Höhe von 119.491 € an.

Exkurs: Was bedeutet Verfall des Wertersatzes? Der Verfall ist in § 73 Strafgesetzbuch geregelt. Die aus der rechtswidrigen Tat erlangten Vermögensvorteile sollen mittels des Verfalls abgeschöpft werden. Bitte beachten Sie, dass beim Verfall das so genannte Bruttoprinzip gilt! Kosten, die Sie zur Erzielung des Gewinns, aufwendet haben, können nicht zum Abzug gebracht werden. Im Falle des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln oder des strafrechtlich relevanten Inverkehrbringens von Arzneimitteln nach dem AMG kann also der Verfall sämtlicher Einnahmen angeordnet werden, ohne dass Aufwendungen für den Einkauf der Betäubungsmittel oder Räuchermischungen abzuziehen sind.

Der Entscheidung des OLG Nürnberg lag eine solche des Landgericht Nürnberg-Fürth zu Grunde. In dieser verwarf das Landgericht die Berufung des Angeklagten gegen das erstinstanzliche Urteil des Amtsgerichts als unbegründet.

Nach der Auffassung des OLG ist die verkaufte Kräutermischung ein Stoff nach § 2 Abs. 1 Nr. 2a AMG. Diese enthielten die Wirkstoffe JWH-081 und JWH-210. Die Räuchermischungen sind zum menschlichen Konsum bestimmt. Sie werden von den Erwerbern ähnlich wie Cannabis-Produkte als Joint konsumiert. Dabei entfalten sie eine ähnliche teils gar stärkere Wirkung als das in Cannabis enthaltene THC. Aufgrund der nach Erkenntnissen der Medizin schädlichen Wirkung handelt sich um ein bedenkliches Arzneimittel nach § 5 AMG. Nach Konsum der Kräutermischung seien teils Panikattacken, Krampfanfälle und Bewusstlosigkeit aufgetreten. In vielen Fällen sei eine dem Cannabis-Konsum vergleichbare Wirkung festgestellt worden. Diese Einstufung stützt das OLG Nürnberg auf die Rechtsprechung des BGH zum Vertrieb von Gamma-Butyrolacton (GBL) zu Konsumszwecken (Urteil BGH vom 08.12.2009 – 1 StR 277/09).

Exkurs: GBL wird von der Industrie als Lösungsmittel hergestellt und vertrieben. Es wird unter anderem als Reinigungsmittel verwendet. Bei Konsum von GBL entfaltet es eine berauschende Wirkung. Nach vorgenannter Rechtsprechung des BGH soll das Arzneimittelgesetz bei Stoffen zur Anwendung kommen, die nach der Verkehrsanschauung bei Einnahme zweckgerichtet die Beschaffenheit, den Zustand oder die Funktionen des Körpers oder seelischer Zustände beeinflussen.

Die gegenteilige Auffassung, dass Räuchermischungen, Kräutermischungen bzw. Badesalze nicht den Vorschriften des Arzneimittelgesetzes unterfallen (Nobis, NStZ 2012, 422) lässt das OLG unberücksichtigt. Nach dieser (zutreffenden) Meinung kann es sich bei diesen Stoffen weder um Präsentationsarzneimittel (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 AMG) noch um Funktionsarzneimittel (§ 2 Abs. 1 Nr. 2a AMG) handeln.

Präsentationsarzneimittel dienen therapeutischen oder prophylaktischen Zwecken. Legal highs werden weder vom Hersteller, noch vom Verkäufer und auch nicht vom Erwerber zur Behandlung oder Vorbeugung von Krankheiten vorgesehen.
Funktionsarzneimittel sind Stoffe, die angewendet oder eingenommen werden, um physiologische Funktionen durch eine pharmakologische Wirkung wiederherzustellen, zu korrigieren oder zu beeinflussen. Zwar können künstliche Cannabinoide pharmakologische Wirkungen in diesem Sinne hervorrufen. Die Beantwortung der Frage, ob ein Stoff ein Funktionsarzneimittel im Sinne des Arzneimittelgesetzes ist, soll nach ständiger Rechtsprechung des EuGH sowie des Bundesverfassungsgerichts aber nicht ausschließlich an den Wortsinn geknüpft sein. Vielmehr sei auch der Verwendungszweck, die Art der Verwendung, die Verbreitung sowie die Bekanntheit beim Konsumenten und das jeweilige Risiko beim Konsum in die Entscheidung einfließen. Synthetische Cannabinoide, die als Räuchermischungen oder Kräutermischungen angeboten werden, scheitern bereits an der therapeutischen und prophylaktischen Zweckbestimmung eines Funktionsarzneimittels. Eine andere Einschätzung verbietet sich auch im Hinblick auf die „legalen“ Drogen Tabak und Alkohol. Diese werden als Genussmittel verkauft. Ihre berauschende Wirkung ist unstreitig. An den Folgen des Konsums von Tabak und/oder Alkohol sterben allein in Deutschland jährlich 74.000 Menschen (Quelle: DHS Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen e.V.). Folgte man der Entscheidung des OLG hätten demnächst sämtliche Kioske, Supermärkte und andere Tabak-und Alkoholhändler mit Hausdurchsuchungen und in der Folge mit Verurteilungen zu rechnen.

2. Änderung/Erweiterung der Anlage II des BtMG durch Neuaufnahme gemäß 26. BtMÄndV

Nach der 26. BtMÄndV (Betäubungsmitteländerungsverordnung) werden unter anderem verschiedene synthetische Cannabinoide (JWH), Stoffe aus der Amphetamingruppe (Fluoramphetamin und 4-Fluoramphetamin) sowie die Cathinon-Derivate Flephedron und Methedron der Anlage II des Betäubungsmittelgesetzes hinzugefügt. Die 26. BtMÄndV tritt am 26. Juli 2012 in Kraft. Damit sind diese Stoffe Betäubungsmittel im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes. Bitte beachten Sie, dass infolgedessen insbesondere der Erwerb, das Handeltreiben, die Abgabe und die Herstellung Straftaten nach dem BtMG sind.

Im Einzelnen handelt es sich um die folgenden Stoffe:

  • 1-Adamantylmethanon
  • AM-694
  • Butylon
  • Ethcathinon
  • Flephedron (4-FMC)
  • 4-Fluormethamfetamin (4-FMA)
  • p-Fluorphenylpiperazin-(p-FPP)
  • 4-Fluortropacocain
  • JWH-007
  • JWH-015
  • JWH-081
  • JWH-122
  • JWH-200
  • JWH-203
  • JWH-210
  • JWH-250
  • JWH-251
  • Methedron
  • (4-Methoxymethcathinon, PMMC)
  • p-Methoxyethylamfetamin (PMEA)
  • 4-Methylamfetamin
  • Methylbenzylpiperazin (MBZP)
  • 3,4-Methylendioxypyrovaleron (MDPV)
  • 4-Methylethcathinon-(4-MEC)
  • Methylon(3,4-Methylendioxy-N-methcathinon, MDMC)
  • Naphyron (Naphthylpyrovaleron)
  • RCS-4
  • 3-Trifluormethylphenylpiperazin (TFMPP)

Der Gesetzgeber reagiert hierdurch auf die nach den vorausgegangenen Betäubungsmittelveränderungsverordnungen vorgenommenen chemischen Veränderungen der als Räuchermischungen, Kräutermischungen oder Badesalze überwiegend im Internet verkauften legal highs. Derzeit findet eine Art „Wettrüsten“ statt. Umgehend nach Aufnahme der betroffenen Stoffe in das BtMG ändern die Hersteller die Rezepturen. Verkaufsförderndes Ziel dieses Katz-und-Maus-Spiels der ständigen Veränderung der chemischen Zusammensetzung dieser Stoffe ist es, diese dem Erwerber als Rauschmittel anzubieten, die nicht den Vorschriften des Betäubungsmittelgesetzes unterfallen.

Möglicherweise sollte sich der Gesetzgeber eingehend mit der Legalisierung weicher Betäubungsmittel auseinandersetzen. Es kann nicht gewünscht sein, dass Cannabiskonsumenten durch die Prohibition von Cannabis auf synthetische Cannabinoide ausweichen, die zumindest in Teilen eine stärkere und mithin schädlichere Wirkung hervorrufen als das Naturprodukt. Der Wettlauf des Gesetzgebers mit den Chemielabors, die synthetische Cannabinoide herstellen, scheint zumindest derzeit nicht zu gewinnen.

Strafverteidiger-Tipp: Schweigen ist Gold! Als Beschuldigter in einem Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts, Kräutermischungen, Räuchermischungen oder Badesalze nach dem Arzneimittelgesetz in den Verkehr gebracht oder nach dem BtMG erworben zu haben, haben Sie ein umfassendes Schweigerecht. Sie müssen sich nicht belasten. Deshalb empfehle ich Ihnen, zunächst keine Angaben zur Sache zu machen. Schalten Sie einen im Strafrecht tätigen Rechtsanwalt als ein. Über ihren Strafverteidiger sollten Sie zunächst Akteneinsicht in die Ermittlungsakte nehmen. Erst nach erhaltener Akteneinsicht haben Sie einen Überblick über die Informationen, die Staatsanwaltschaft und Polizei haben.

Quellennachweis Lichtbild: alt f4 – www.pixelio.de